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Die Pfälzer Hartard  | 1 | 2

 

1925: Zu Fuß von Speyer nach Rom 

Es war ein großes Aufgebot vor der mächtigen Kulisse des Kaiserdoms, mit dem Speyer im Juni 1925 einen für die Stadt ganz besonderen Tag beging: es hieß, sieben jungen Speyerer Gesellenbrüdern ein Wiedersehen zu bereiten, die gut sechs Wochen zuvor anläßlich des Heiligen Jahres zu einer Fußwallfahrt nach Rom aufgebrochen waren. Nun waren sie heimgekehrt von einer - in jener Zeit - noch nicht alltäglichen Reise. Mit dabei: der junge Robert Hartard, damals 22 Jahre alt. 

Das Merkblatt für die Romwanderer hatte als Route für die Pilger den Weg von Speyer über Bayern und Österreich und dann den Brenner hinauf nach Italien vorgesehen. Ob die sieben Speyerer Gesellen die übrigen Ratschläge des Merkblattes befolgten ("...beim Aufenthalt in den Städten ... ist größter Wert auf äußere Haltung und Sauberkeit zu legen." - "...wollenes Unterzeug [darf] nicht vergessen werden."), ist nicht mehr zweifelsfrei festzustellen. Zumindest der Tourenverlauf der Wanderer aber war ein anderer als der vorgeschlagene: die Speyerer Pilger wollten durch die Schweiz über die Alpen und machten sich wohl falsche Vorstellungen über die Beschwernisse, die diese Hochgebirgsetappe im Frühjahr mit sich gebracht hätte. So mußten die sieben am Gotthard bereits eine kurze Strecke der Wallfahrt notgedrungen mit dem Zug zurücklegen. Durchs Tessin hieß es dann wieder marschieren, weiter bis Mailand, wo es der mittlerweile eng gewordene Zeit- und Finanzplan nötig machte, erneut auf den Zug umzusteigen. Auf dem Heimweg von Rom ging es schließlich wieder großenteils zu Fuß, und zwar - die Erfahrung hatte nicht vorsichtiger gemacht - diesmal auf abenteuerlich verschneiter Route über den Jaufen zurück nach Speyer. 

Daß die Pilgerfahrt nach Rom in der Heimat auf großes Interesse stieß, zeigte nicht nur der große Empfang bei der Rückkehr; auch die "Speyerer Zeitung" berichtete regelmäßig über den Fortgang der Reise: wöchentlich schrieben die Rompilger ihre Erlebnisse zum Abdruck nach Speyer. Sie schildern darin den mühsamen Weg durch die Schweiz, die tagelangen Regenmärsche, den meterhohen Schnee, der eine Überquerung des Gotthard unmöglich machte - aber auch die herzliche Gastfreundschaft von Kolpingbrüdern, Bauern und Herbergswirten, die den Pilgern bereitwillig Unterkunft gaben, die Schönheiten des Gesehenen und Erlebten, und schließlich das unbeschreibliche Gefühl bei der Ankunft in der Ewigen Stadt.


Robert Hartard (oben, 2. v. l.), neben ihm (Mitte) Hermann Müller, ganz rechts außen Thomas Büllmeyer. Weiter sind abgebildet: Robert Brecht, Fritz Stumpf, Franz Weiß und [?] Schütter (Zuordnung unsicher)

Am 28. April 1925 ist zu lesen:

Wie schon kurz mitgeteilt wurde, marschierten 7 Mitglieder des hiesigen Gesellenvereins am 20. ds. Mts. ab, um zu Fuß die Reise nach Rom zu machen, während zwei andere Mitglieder mit dem Tandem -Fahrrad am selben Tag ebenfalls abreisten. Die 7 Fußwanderer sind nun an ihrem ersten Ziel: Freiburg i. Br. am Samstag nachmittag angekommen und marschierten am Montag früh wieder dort ab. Da sich gewiß viele, namentlich die Mitglieder des Vereins interessieren, senden die Rompilger jede Woche einen Reisebericht:

I. Von Speyer bis Freiburg i. Br.

Nachdem wir von den uns bis Rheinhausen begleitenden Freunden Abschied genommen hatten, marschierten wir trotz des Regens weiter und konnten am ersten Tag ein Lastauto benützen, allerdings nur 8 Klm. weit, und erreichten nachmittags 5 Uhr Karlsruhe. Auch die Tandem-Fahrer waren hier, da sie infolge des Regens nicht weiter gefahren waren. Wir mußten diese Nacht auf Strohsäcken schlafen, wegen Ueberfüllung des Gesellenhauses, das Essen war aber sehr gut. Am anderen Morgen (21. April) marschierten wir ab nach Richtung Bühl. Der Tournister ist schwer und drückt, aber frohgemut und zur Abwechslung ein Lied, dann geht es wieder leichter. Gegen Mittag regnete es, und wir stellten uns etwas "unter", damit wir doch nicht gar so naß werden. Beim Durchmarsch in Sinzheim war gerade eine Hochzeit, und wir wünschten dem jungen Paare alles Gute, brachten ein "Ständchen" dar, und nach einem kurzen Verbleib ging es wieder weiter. Abends 7 Uhr kamen wir sehr müde in Bühl an (46 km). Nachtquartier und Verpflegung sehr gut. 

Nach der heiligen Messe am anderen Tag ging es wieder weiter morgens 8 Uhr, abends 6 Uhr erreichten wir Offenburg (35 Kilometer). Auch hier war alles tadellos, am andern Tag marschierten wir bis Lahr (30 km). Hier wurden wir als Rompilger gleichsam mit offenen Armen aufgenommen und verbrachten bei Kolpingsbrüdern einige gemütliche Stunden. Tags darauf erreichten wir nach siebenstündigem Marsch Kinzingen, auch hier freundliche Aufnahme. Am andern Morgen nach dem Gottesdienst geht es dem ersten Hauptziel entgegen. Das Landschaftsbild abwechslungsreich schön. Drüben sehen wir die Vogesen, zur Linken die Tannen des Schwarzwaldes. Nach fünfstündigem Marsche erblicken wir in der Ferne den schlanken Turm des Freiburger Münsters. Gar bald hatten wir Freiburg erreicht, wo wir auch gut versorgt waren. Am Sonntag morgen besuchten wir das Amt im Münster. Wir bestiegen auch den Turm desselben und gedachten des Verses, den einst der Turmglöckner prägte:

Willst du den Münsterturm besteigen,
Darfst du nicht zu Asthma neigen.
Dreihundertachtundzwanzig Treppen
Mußt du dich nach oben schleppen,
Bis zur Höh`,
Auf der ich steh`.
Doch welch` Entzücken: weit und breit
Schau ich des Breisgau`s Herrlichkeit!

Dieses Münster, ein wunderbarer gotischer Bau, ist ohne Zweifel ein hehrer Zeuge altdeutscher Baukunst.

Wir bestiegen auch den Schloßberg, ein schöner Aussichtspunkt, und besichtigten weiter die Verlagsanstalt Herder u. a. Mittags genügten wir unserer Wahlpflicht. Bis jetzt haben wir noch keinen Pfennig Geld gebraucht, geht es in Italien auch so, dann ist`s ja einfach großartig, wenn auch müd, aber an den "Affen" gewöhnt man sich auch mit der Zeit. Morgen geht es wieder weiter. Nächste Station ist Maria Einsiedeln.
Gruß und Wiedersehen, Eure Freunde.

Donnerstag, 7. Mai 1925

II. Von Freiburg bis Schwyz

Am 24. April 1925 [...] bestiegen [wir] zuerst den Schloßberg und schauten nochmals zurück nach Freiburg, wo wir so gastlich aufgenommen waren. Den Höhenweg ging es weiter bis Stegen, wo wir in das Höllental kamen. Rechts und links mächtige Felsen, ein schäumender Gebirgsbach zur Seite. Wir kamen am sogenannten Hirschsprung vorbei, von dem die Sage erzählt: ein Hirsch sei bei der Verfolgung den 40 Meter hohen Felsen herabgesprungen. Das Wetter war schön, sodaß wir uns an einem Wiesenrande zur Rast legen konnten. Bald ging es wieder weiter; plötzlich zogen sich die Wolken zusammen, und bald hatten wir strömenden Regen, wir mußten Zuflucht in einer nahen Kapelle suchen. Gar bald aber marschierten wir weiter, kamen durch den Kurort Hintergarten, wo es anfing zu schneien, und das hielt an, bis wir in Neustadt einmarschierten. Hier waren wir gut aufgehoben. Am nächsten Tag (Dienstag) war wegen des strömenden Regens ein Marschieren ausgeschlossen, einen Tag wollten wir nicht versäumen, so benützten wir bis Bomdorf die Bahn, marschierten aber mittags, als der Regen nachließ, wieder weiter und überschritten bei Schleitheim mittags 12.45 Uhr die Grenze.

Wir sind nun in der schönen Schweiz. Die Straßen sind gut, wir kommen vorwärts. Wiederum strömender Regen, abends 6 Uhr völlig durchnäßt kamen wir in Schaffhausen an. Hier gab es Massenquartier, wir schliefen aber trotzdem gut. Am anderen Morgen besichtigten wir die Stadt und gingen vor allem an den Rheinfall. Wir sind noch nicht dort und schon hören wir ein Rauschen, und nach 100 Schritten: wir stehen am Rhein. Eigentlich fühlt man sich hier heimisch, ist es doch derselbe Rhein, der unser deutsches Vaterland durchfließt, der vorbeizieht an unserer sonnigen Pfalz. Lange schauen wir hin auf die herabstürzenden Wasser, und beim Weitermarsch gleiten unsere Blicke zurück zum Rheinfall. Grüße uns, deutscher Rhein, das Vaterland, grüße die Pfalz und den hehren Kaiserdom zu Speyer am Rhein. Aber fort mußten wir wieder und kamen abends 6 Uhr nach Winterthur, wo wir einfach großartig aufgenommen wurden. Wir besuchten nach dem Nachtessen die Vereinsversammlung, wo auch wir für gute Unterhaltung reichlich sorgten und die Winterthurer für einen guten Schoppen. Hier fühlten wir, daß es wahr ist, was wir oft singen:

und grüßen die Brüder
und sind wie zu Haus.
"Aber fort muß er wieder ..."

Am Mittwoch kamen wir in die Voralpen und nachmittags 4 Uhr in Zürich an. Nachts und am Tag darauf wieder starker Regen. Wir entschlossen uns, den Züricher See entlang die Bahn zu benützen, und gar gerne hätten wir diese herrlich schöne Strecke zu Fuß gemacht. In Wedenswill marschierten wir gleich weiter am Meinradsbrunnen vorbei, immer höher. Die Luft ist hier oben etwas rauh und kalt, dazu kam plötzlich noch heftiger Schneefall, sodaß wir nur mit Mühe weiter konnten und in Bieberbrücke einen kurzen Halt machten. Nach einer Stunde Marsch hatten wir Einsiedeln vor uns und das berühmte Kloster mit seiner Wallfahrtskirche "Maria-Einsiedeln". Um 7 Uhr abends kamen wir im Gesellenhaus an, wo wir natürlich gut aufgenommen wurden. Am Samstag Morgen nach der hl. Messe besichtigten wir die herrliche Wallfahrtskirche. Weitermarsch mittags 1 Uhr. Nach 2stündigem Wandern kamen wir an ein kleines Häuschen, ein altes Weibchen zeigte uns auf Befragen freundlich den Weg, nur eine Skispur führt weiter, es geht immer höher hinauf. Wir sinken oft bis über die Knie im Schnee ein. nach 1 Stunde haben wir die Spur verloren, alles ist zugeschneit, doch immer weiter bis zu 1500 Meter Höhe. Ein kleines Gebirgshäuschen nimmt uns auf. Bei Milch und Brot erzählt uns der alte Schweizer vom Winter in den Bergen. Am altertümlichen Kachelofen wärmen wir uns und trocknen die Kleider. 

Bald geht es wieder abwärts. An einer kleinen Kapelle machen wir Halt. Der Eingang ist zugeschneit, aber doch spielt der Schneider [Robert Hartard, Anm.] mit dem Piston das Kolpingslied hier oben. Auf dem Weitermarsch werden wir belohnt für unseren Aufstieg, denn eine herrliche Aussicht haben wir auf Schwyz mit dem Vierwaldstättersee, umsäumt von hohen, schneebedeckten Bergen. Der Regyt, der große und kleine Mythen. Abends 7 Uhr haben wir Schwyz glücklich erreicht. Die Schneegipfel sind von der untergehenden Sonne feurig beschienen; wir standen lange und beschauten und bewunderten diese Pracht. In Schwyz gastliche Aufnahme und am Sonntag abend eine schöne Vereinsversammlung. So konnten wir bei Schweizer Gesellen recht angenehme Stunden verbringen. Als wir unser Nachtlager aufsuchten, hatten wir alle das Bewußtsein, doch jetzt schon vieles gesehen und erlebt zu haben und auch ein gutes Stück näher an unser großes Ziel, die Ewige Stadt, gekommen zu sein.

Gruß und Wiedersehen, Eure Freunde.



[o. D.]

III. Von Schwyz bis Mailand

Der Montag, der 4. Mai, war ein außerordentlich schöner Maientag. Um 1/2 8 Uhr nach dem Besuch der hl. Messe marschierten wir von Schwyz ab. Zuerst kamen wir durch Brunnen an den Vierwaldstätter-See, an welchem sich links die Axenstraße entlang zieht. Die Straße ist sehr gut und wir kommen leicht vorwärts. Rechts der See, links mächtige Felsen, von diesen mehrere, um den Weg fortführen zu können, durchbrochen sind. Andere, in 100 - 200 Meter Höhe, stehen 1 - 2 Meter hervor, als drohten sie jeden Augenblick herabzustürzen, um den einsamen Wanderer zu zermalmen. Die Sonne brennt um 11 Uhr schon stark, sodaß uns langsam warm wird. Der See, durch welchen einzelne Dampf- und Ruderboote pfeilförmig den Landungsbrücken zuschießen, liegt ruhig vor uns. Einer von uns sieben erinnert sich aus seiner Schulzeit noch des Gedichtes:

"Es lächelt der See, er ladet zum Bade,
Der Knabe schlief ein am grünen Gestade"

und er trug es, am Ufer stehend, während einer Rast vor. Auch uns war es, als würden wir zum Bade eingeladen, wir machten jedoch von dieser Einladung mit Rücksicht darauf, daß erst vor 2 Tagen Schnee niedergegangen war, keinen Gebrauch. Um 12 Uhr kamen wir an der Tellskapelle vorbei. Wir besichtigten sie und setzten unseren Marsch dann fort über Flüelen, wo der See aufhört. Ueber alle Berge ragt der Brixenstock hervor (3074 Meter), auf dessen Gipfel noch 2 - 3 Meter hoch der Schnee liegt. Um 3 Uhr kommen wir in Altdorf an, wo wir den letzten Gesellenverein haben; von morgen an müssen wir uns selbst für Quartiere sorgen. Abends besichtigten wir das Telldenkmal und begaben uns dann zeitig zur Ruhe, da wir am nächsten Tag bis Göschenen (35 Km) mit ständiger Steigung zu marschieren hatten. Am 5. Mai: Abmarsch um 7 Uhr an der Reuß entlang, rechts und links mächtige Felsen. Da die Steigerung der Straße sehr stark ist, kommen wir nur langsam vorwärts. Mächtige Felsstücke, die wohl schon vor mehreren hundert Jahren von den Bergen herabstürzten, liegen zerstreut umher; besonders zu erwähnen ist der sogenannte Teufelsfelsen. Um 1/2 7 Uhr abends kamen wir in Göschenen an, wo wir in einer Scheune Quartier nehmen mußten. Das Abendessen kochten wir uns selbst. Es gab Erbswurstsuppe mit Makroni und Brot. Es schmeckte ausgezeichnet.

Am 6. Mai: Als wir um 1/2 7 Uhr aufstanden, lag unser Quartier über den Wolken. Den Gotthardt zu übersteigen, war uns infolge des 3 Meter hoch liegenden Schnees unmöglich, wir fuhren deshalb von Göschenen bis Airola durch das Gotthardttunnel (15 Km). In Airolo mußten wir unsere Sprachbücher zur Hand nehmen, da von dort aus alles italienisch spricht. Die Verständigung gelingt uns ganz gut. Unser Weg ging weiter an dem Tessin entlang, der auf dem Gotthardt entspringt. Infolge der gerade eingetretenen Schneeschmelze stürzen von allen Seiten mächtige Wassermassen herab, die den zuerst klein erscheinenden Bach zu einem starken Fluß anschwellen lassen. Zwischen Ampri und Faido stürzt sich der Tessin durch Schluchten und über Felsen schäumend herab und fällt in einer Länge von 500 Meter 100 Meter. Die Straße, auf der wir marschierten, liegt 40 - 70 Meter höher als der Fluß, sodaß man glaubt, statt Wasser Milch fließen zu sehen. Die Straße ist öfters mit Antica via Roma bezeichnet, sodaß man sah, daß unsere Vorfahren schon vor Hunderten von Jahren denselben Weg nach Rom genommen haben wie wir. In Giomico kommen wir bei wieder einsetzendem Regen um 7 Uhr an und finden nach schwierigen Verhandlungen wieder in einer Scheune Quartier.

7. Mai: Die Nacht war gut. Ehe wir weiter marschierten, bekamen wir von unserem Scheunenbesitzer Milch, sodaß wir gleich unser Frühstück einnehmen konnten. Das Wetter war sehr schlecht, es regnete den ganzen Tag, sodaß es zu verstehen ist, daß wir nicht sehr viel Interesse für die Gegend hatten. In Bellinzona angekommen, konnten wir kein Quartier finden und entschlossen uns deshalb, trotzdem es schon spät war, weiter zu marschieren. Gott verläßt die Seinen nicht, dachten wir, als wir hinter Bellinzona ein Spital sahen, wo wir Essen und ein gutes Bett bekamen.

8. Mai: Nach dem Besuch der hl. Messe am Morgen erhielten wir von den freundlichen Schwestern das Frühstück und bekamen die Feldflaschen gefüllt. Wir wollten heute noch an die schweizerisch-italienische Grenze; es galt deshalb, mutig zu marschieren. Nach einer Rast erwischten wir ein Auto, welches uns bis Lugano mitnahm. Das war unser Glück, denn nach einer halben Stunde fing es an wie in Strömen zu regnen, was anhielt, bis wir in Lugano ankamen. nach dem Mittagessen besichtigten wir die Stadt, welche 10.000 Einwohner zählt und reizend an dem See gleichen Namens liegt. Die Altstadt, ganz italienischen Charakters, mit Bogengängen im Erdgeschoß der Häuser, offenen Werkstätten und Läden sowie schönen Renaissancekirchen, zieht sich vom See am Abhang aufwärts, bis an die Nähe des Bahnhofs. Bei unserem Weitermarsch gingen wir an dem See entlang, wo wir mehrere Pfälzer trafen. Unseren Plan, über die Grenze zu kommen, mußten wir aufgeben, da es um 1/2 7 Uhr so stark anfing zu regnen, daß wir genötigt waren, kurz vor Mezzana noch Verhandlungen mit der Direktion einer Staatl. Landwirtschaftsschule zu führen, um in einer Scheune übernachten zu dürfen. Am Morgen bekamen wir 20 Liter Milch, womit wir unsere Feldflaschen füllten, nachdem wir den Rest zu unserem Frühstück getrunken hatten. Nach 1 1/2stündigem Marsch kamen wir an die Grenze, welche wir bei Chiasso überschritten. Wir hatten ein Land hinter uns, wo wir manches Naturwunder gesehen, Menschen und Sitten kennen gelernt hatten und meistenteils freundlich aufgenommen worden waren.

Es war uns gesagt worden, in Italien sei das Wetter besser, allein wir mußten feststellen, daß es hier genau so regnete wie in der Schweiz. Wir kamen in Como an, wo wir den Dom besichtigten. Nach einer kurzen Rast ging es weiter, da wir noch nach Mailand kommen wollte, doch auch diesmal mußten wir unseren Plan umstellen, da sich ein Gewitter zusammenzog, das zu einem Landregen ausartete, sodaß wir uns in dem Städtchen Bosisio-Montebello unterstellen mußten, um dann wegen des fortdauernden Regens um 3/4 7 Uhr mit der Tramine nach Mailand zu fahren. Unser Quartier, es war nichts besonderes, fanden wir erst um 3/4 10 Uhr. Am Sonntag, den 10. Mai, gingen wir nach dem Besuch der hl. Messe auf die Post, wo auch wirklich Nachricht von Speyer angekommen war. nachmittags besichtigten wir Mailand, eine Industriestadt mit 1 Million Einwohnern. Der Mittelpunkt der Mailänder Glanzbilder ist der Domplatz, auf der Nord- und Südseite mit palastartigen Bauten umgeben. Von dort aus führen die meisten Straßenbahnen nach allen Teilen der Stadt. Westlich vor dem Dom steht ein bronzenes Reiterstandbild von Viktor Emanuel II. Der Dom, in gotischem Stil aus weißem Marmor erbaut, ist der Mutter Gottes geweiht und eine der größten Kirchen der Welt. 

Das Wetter war an diesem Sonntag sehr schön, sodaß wir uns bis zum Abend das Leben und Treiben dieser Weltstadt anschauen konnten. Dann suchten wir unser neues Quartier auf, das wir durch Zufall bekommen hatten. Es war ein früheres Kloster, in der Vorstadt gelegen. Von dem Pfarrer wurden wir freundlich aufgenommen, und es bekam jeder ein Bett, welche wegen Platzmangel in der im Umbau befindlichen Kirche standen.
11. Mai: Auf Sonnenschein folgt Regen, so war es auch hier. Am Morgen hatte wieder Regen eingesetzt, und so kamen wir naß in einem Verkehrsbüro an, wo wir uns Fahrkarten nach Genua lösen wollte. Dabei stellte sich heraus, daß eine einfache Fahrkarte nach Genua nahezu soviel kostet wie ein Rundreisebillet. Wir entschlossen uns daher für Letzteres. So werden wir vorerst unsere Reise bis nach Bologna mit der Bahn fortsetzen.

Herzliche Grüße, Eure Freunde.



Montag, 25. Mai 1925

IV. Von Mailand bis Rom

Wenn man bedenkt, daß die Fahrt von Pisa bis kurz vor Rom bald so viel gekostet hätte wie eine Rundreisefahrkarte von Mailand über Genua nach Rom und zurück über Venedig nach Mailand und der Lebensunterhalt in Italien nicht so billig ist, wie wir glaubten, wird man verstehen, daß wir notgedrungen, schweren Herzens, uns entschlossen, den Zug zu benützen. So bestiegen wir am 11. Mai, abends um 11.40 Uhr, den Zug, fuhren durch den Gebirgszug des Appenin [sic] und kamen morgens um 4 Uhr in Genua an, das wir, als es Tag wurde, besichtigten.

12. Mai: Genua ist eine der Haupthafenstädte Italiens und zieht sich im Halbkreis am Meer entlang. Besonders zu erwähnen ist der Hafen, wo moderne Passagier- und Frachtschiffe, aber auch alte Segelschiffe vor Anker lagen. Wir besichtigten auch den Camposanto, welcher einer der größten und schönsten Friedhöfe Italiens ist. Er liegt an einem Bergabhang, hat wunderbare Grabsteine und Denkmäler aus weißem Marmor. Am Abend aßen wir in einer italienischen Wirtschaft, Osteria genannt, und lernten da erst richtig die italienische Kost kennen. Nachts um 1/2 12 Uhr fuhren wir von Genua nach Pisa. Es ist eine wunderbare Maiennacht, dazu Halbmond. Durch Tunnels und Dörfer am Mittelmeer entlang, durch die Riviera ging unsere Fahrt. An Schlaf dachte keiner, ein Bild wechselte mit dem anderen, unvergeßlich wird uns diese Gegend bleiben.

13. Mai: Morgens 7.40 Uhr kamen wir in Pisa an, einer Stadt mit 30.000 Einwohnern, die an den Ufern des Arno liegt. Pisas größte Sehenswürdigkeit ist der Dom mit Domplatz, welcher abseits vom Straßengetriebe in weihevoller Stille die nordwestliche Seite des Stadtteils einnimmt. Der Dom ist ganz aus weißem Marmor erbaut, besonders prachtvoll ist die Fassade, im oberen Teile mit vielen Säulengalerien übereinander. Erwähnenswert ist der Glockenturm, welcher 55 Meter hoch ist und gegen Südosten 4 Meter überhängt. Mittags wuschen wir im Arno unsere Wäsche. nachdem alles getrocknet war, wurden Strümpfe gestopft und Wäsche geflickt. Da hätte wohl manches Mädel von Speyer etwas lernen können. Daß hier, gerade wie in Speyer, bei einer solchen Begebenheit das ganze Stadtviertel zusammenlief und den Fremden bei ihrer ungewohnten Arbeit zusah, braucht man wohl kaum zu erwähnen. Um 1/2 6 Uhr bestiegen wir den Schnellzug, um nach unserem langersehnten Ziel zu fahren. Die Fahrt ging wieder zum Teil am Meere entlang, durch Städte und Dörfer, Tunnels und Täler, an palastartigen Gebäuden mit Palmengärten vorbei.

Nachts gegen 12 Uhr sahen wir in der Ferne einen großen Lichtschein, welcher nach unserer Annahme von Rom herrühren mußte. Unter dem kaum verklungenen Lied "Großer Gott, wir loben Dich" fuhren wir um 12 Uhr, mit Gefühlen, die nicht wiederzugeben sind, in der hl. Stadt, dem ewigen Rom, ein. An ein Quartier war in dieser Nacht kaum mehr zu denken, wir beschlossen deshalb, trotz großer Müdigkeit, uns die Stadt bei Nacht anzusehen. Planlos irrten wir umher, bis wir vor einem zum Teil zerfallenen, großen runden Gebäude standen, das, wie wir nach gesehenen Bildern richtig vermuteten, das Colosseum war. Um 1 Uhr nachts, bei Halbmond, betraten wir dieses für die kath. Welt historische Gebäude, wo vor nahezu 2000 Jahren Tausende von Christen für ihren Glauben starben. Mit ehrfurchtsvoller Scheu traten wir ein, um in kurzem Gebet derselben zu gedenken.

13. Mai: Um 5 Uhr morgens kamen wir als die Ersten an den Petersdom. Nachdem die Tore geöffnet waren, kam mit dem Frühesten ein alter Bekannter von uns, Herr Domdechant Prälat Molz, welchen wir natürlich auf das herzlichste begrüßten. So konnten wir einer hl. Messe, bei welcher einer unserer Meßdiener ministrierte, als unserer ersten hl. Messe in der Peterskirche beiwohnen. Unter Tag mußten wir uns für Quartier sorgen, das wir allerdings erst um 9 Uhr abends fanden.

Herzliche Grüße, Eure Freunde.



Mittwoch, 3. Juni 1925

V. In Rom

In Rom selbst trafen wir die beiden Tandemfahrer [...] und auch unsern früheren lieben Vizepräses H. H. Dr. Stamer (Böbingen). Was man in Rom selbst erlebt, kann man nicht leicht erzählen, viel weniger beschreiben. Unser Bericht wird darum nur zeigen, wo wir waren, alle Eindrücke und Erlebnisse können wir nicht leicht niederschreiben, das alles, so gut es geht, dann aber im Gesellenverein mündlich. Am Donnerstag (14. 5.) besuchten wir vormittags mit dem Münchener Pilgerzug die St. Peterskirche, und nachmittags mußten wir Quartier suchen. Am Freitag, den 15. Mai Audienz beim hl. Vater. Um 1/2 12 Uhr sollten wir das Glück haben, mit noch vielen andern deutschen Pilgern den Stellvertreter Christi zu schauen. Auch hier können wir nur mit einigen Worten das für uns große freudige Ereignis schildern. Im Empfangssaal waren die Pilger reihenweise aufgestellt, bald öffnen sich die Türen, und langsam schreitet der Papst herein und reicht jedem Pilger den Ring zum Kusse. Bei unserer Gruppe, wir haben unsere Wimpel dabei, macht Se. Heiligkeit einige Augenblicke Halt und fragt uns über die Länge und den Verlauf unserer Reise. Darauf hält dann der heilige Vater eine herzliche Ansprache, begrüßt und beglückwünscht die Pilger, die nach dem ewigen Rom aus weiter Ferne gekommen sind, um der Gnaden des hl. Jahres teilhaftig zu werden. Die Audienz war für uns ein großes Erlebnis.

Im Hofe des Vatikans begrüßten wir den H. H. Bischof von Mainz, Dr. Hugo. Der Nachmittag wurde zur allgemeinen Besichtigung Roms verwendet. Am andern Tag hatten wir das Glück, am Grabe des hl. Petrus zu kommunizieren, wo H. H. Domvikar Wittmer die hl. Messe zelebrierte. Bei unserm Weg nach St. Maria Maggiore, um unseren Pflichten zu genügen, trafen wir an der deutschen Nationalkirche den früheren Bischof von Speyer, Se. Eminenz Kardinal Faulhaber. Der Hochw. Herr freute sich, Pfälzer und Mitglieder des Speyerer Gesellenvereins in der ewigen Stadt zu sehen, und beauftragte uns, alle Speyerer, besonders auch den Gesellenverein zu grüßen. Wir nahmen dann an der Prozession der Münchener Männerkongregation teil. (Se. Eminenz sorgte sogar für die "Auffrischung" unserer schon etwas "abgebrannten" Reisekasse.) Nachmittags besuchten wir, um es auch bei Tag zu sehen, das Colosseum und auch noch vorhandene Kerker. Das Colosseum ist also der Platz, wo tausende der ersten Christen für ihren Glauben ihr Leben hingaben. Ebenso ergreifend für uns war die Besichtigung der Katakomben, auch eine Stätte des Wirkens, aber auch des Martyriums der ersten Christen.

Am Sonntag, den 17. Mai besichtigten wir nach der hl. Messe in der deutschen Nationalkirche die Engelsburg. Von da aus hatten wir eine herrliche Aussicht über die Stadt. Nachmittags machten wir auch einen Spaziergang nach dem Pinciopark, der auch sehenswert ist. Abends war anläßlich der Heiligsprechung der sel. Maria Theresia vom Kinde Jesu der Petersdom mit Umgebung beleuchtet. Da seit 1870 eine derartige Beleuchtung nicht mehr stattgefunden hatte, war alles, der ganze Platz und die Straßen, dicht voll Menschen. Tausende Kerzen und Fackeln brannten auf der Kuppel, an den Seiten usw.; man meinte eine Kirche aus Lichtern zu sehen.

Montags (18.) besuchten wir St. Paul und St. Maria Maggiore. Der Dienstag wird uns unvergeßlich sein, in der blutgetränkten Arena des Colosseums empfingen wir aus der Hand des H. H. Kardinals Faulhaber die hl. Kommunion. Se. Eminenz hielt eine tiefergreifende Predigt, dann zogen wir zu St. Johann, Laterankirche. Bei unserm Heimweg besuchten wir auch die hl. Treppe. Den Nachmittag verbrachten wir dann im Quartier, und am 20. besichtigten wir die vatikanischen Museen, Bibliothek, Sixtinische Kapelle, die Missionsausstellung, all das werden wir mündlich berichten. Am Abend war in der Anima Abschied des Münchener Pilgerzuges. Kardinal Faulhaber sprach über das hl. Jahr und über den sel. Petrus Canisius.

Am Donnerstag Morgen (Christi-Himmelfahrt) waren schon um 6 Uhr die Eingänge von St. Peter durch italienisches Militär und päpstl. Garde abgesperrt. Nur mit Einlaßkarten durfte man hinein, und doch war bald alles dicht besetzt. Um 1/2 9 Uhr ertönten Posaunen, tausende elektrische Kerzen flammten auf, Bischöfe und Kardinäle zogen ein, und unter den Hochrufen der Deutschen, dem "Evviva il Papa" der Italiener wurde der hl. Vater auf dem Tragsessel herein getragen, durch die jubelnde Menge, freundlich mild, segnend zum Hauptaltar, wo die Zeremonien der Heiligsprechung des sel. Petrus Canisius vollzogen wurden; und um 10 Uhr verkünden die Glocken von St. Peter, daß der Selige in das Verzeichnis der Heiligen der Kirche aufgenommen wurde. Anschließend war dann Pontifikalamt, und die Feierlichkeiten dauerten bis Mittag. Wie beim Einzuge ertönten dann beim Auszuge wieder die Posaunen, und unter dem Jubel der begeisterten Menge wurde der Papst wieder auf dem Tragthron zurück zum Vatikan getragen. 

Mittags mußten wir unser Gepäck ordnen, da wir infolge finanzieller Schwierigkeiten unsern Aufenthalt in Rom etwas abkürzen mußten. Abends gings nochmal zu St. Peter, auf dem Petersplatz sangen wir, umringt von vielen Menschen, zum Abschied: "Ein Gotteshaus steht am Rheine zu Köln". Wir nahmen Abschied von den Tandemfahrern, die jetzt wieder ihr Stahlroß in Bewegung setzen können.Wir bestiegen Nachts um 1/2 12 Uhr mit unserer Rundreisefahrkarte den Zug, den wir noch bis Modena benützen können, dann geht es wieder auf Schusters Rappen der Heimat zu. Vieles haben wir in Rom gesehen und erlebt, unvergeßlich werden uns diese Tage sein. Wenn alles klappt, können wir über Pfingsten in Bozen in Tirol sein. Seit wir marschieren, haben wir schlechtes Wetter, öfters Regen.

Sonst ist alles gesund und munter.
Seid recht herzlich gegrüßt, Eure Freunde.



[Juni 1925]

VI. Von Rom nach Deutschland (Oberammergau)

Während der Fahrt von Rom nach Modena halten wir uns einen Tag in Florenz auf, besichtigten zuerst den Dom. Bemerkenswert die "Krönung Marias" aus dem 14. Jahrhundert, in Mosaik ausgeführt, ebenso sehenswert ein Bildnis Dantes mit der Ansicht von Florenz und Darstellung aus der "Göttlichen Komödie". Bei unserm Gang durch die Stadt bewunderten wir auf dem sog. "Kreuzplatz" das Marmorstandbild Dantes. Die Kreuzkirche (Franziskaner) mit dem offenen Dachstuhl im Mittelschiff und den weittragenden Pfeilern macht einen erhabenen Eindruck, der durch die vielen Denkmäler und alten Fresken noch gesteigert wird. Von dem Michelangeloplatz aus hatten wir eine wunderschöne Aussicht auf die Stadt. Nachtquartier war gut, wir waren im "Dormitore Publiko", eine nachahmenswerte Stiftung, wo 150 - 200 Personen unentgeltlich schlafen können.

Am andern Tag fährt der Zug durch eine herrliche Gegend bis Modena, wo wir abends 5 Uhr unsere Reise zu Fuß fortsetzen. Um 9 Uhr machen wir vor einem Bauernhof Halt und können in einer Scheune schlafen. Der andere Tag (25. 5.) ist ein Sonntag, der erste seit unserer Reise, an dem wir marschieren müssen, da hier nichts weiteres zu sehen ist und auch keine Aufenthaltsgelegenheit ist. Um 7 Uhr ging es weiter, im Dorfe Karpri besuchten wir die hl. Messe, und mittags mußten wir in einem Bauernhof, wegen des strömenden Regens, Aufenthalt nehmen. Die Bäuerin, sehr gastfreundlich, gab uns, für unsern jetzigen Begriff, ein "fürstliches" Mittagessen. Schinken, Salamiwurst, Brot und Wein. Die Gegend ist überhaupt sehr reich an Wein, sodaß wir oft statt Wasser Wein erhielten. Mittags ging es bis kurz vor Mantua. Die Bevölkerung ist sehr freundlich und zuvorkommend, sodaß ein Bauer in seine beste Stube Stroh schaffen läßt, wo wir nach gutem Nachtessen vorzüglich schlafen.

25. 5. Heute marschieren wir durch eine historische Stadt. Mantua, wo Andreas Hofer erschossen wurde, war früher eine Festung. Vor der Stadt nahmen wir Quartier in einer Scheune. 26. 5. Heute meint es Petrus nicht so gut mit uns, aber trotz Regen marschieren wir weiter und erreichen um 7 Uhr abends Verona (38 km). Dasselbe wurde kurz besichtigt. Es ist eine alte Stadt. Nachtquartier erhielten wir 2 km weiter entfernt in einer Scheune. Am andern Tag hält der Regen an, wir marschieren aber ungeniert weiter, durch die Veroneser Klause an der Etsch entlang, und erreichen Gonisiniko, wo wir bei einem Bauern, einem geborenen Oesterreicher, Nachtquartier fanden. Zu Essen gab es immer etwas, und in Italien haben wir in der Hinsicht viel gelernt, morgens Brot und Tee, mittags gewöhnlich Nudeln, abends "Menestra", zur Abwechslung auch manchmal Reisbrei (selbstgekocht!). "Krumbeere" vermissen wir.

28. 5. Wir marschierten heute durch ehemaliges Kriegsgebiet, Massengräber, Häuserruinen, Laufgräben erinnern uns an den großen Weltkrieg. Wir sehen schon Trient, sind aber durch Müdigkeit gezwungen, in einem zerschossenen Haus Quartier zu nehmen. Die Tagesstrecke ist heute 45 km und es ist 1/210 Uhr; wir könnten also Ruhe brauchen, aber die Steine sind hart. Um 4 Uhr morgens geht es deshalb schon weiter. Trient wird ganz kurz besucht, und nach 38 km erreichen wir das Dorf Sarburno. Gott sei Dank! Wie gut, hier spricht man wieder Deutsch. Wir treffen eine Pfälzerin, die für unser leibliches Wohl sorgt. Beim Abschied sangen wir bei unserer Landsmännin das Pfälzer Lied, und der guten Frau standen die Tränen in den Augen.

Heute kommen wir bis nach Bozen durch eine schöne Gegend. Es ist sehr heiß. Kurz vor Bozen hören wir ein Glockensignal, und heransausten die zwei Tandemfahrer, die mit großem Hallo und mit Freude begrüßt wurden. Um 7 Uhr sind wir in Bozen, bei dem schönen Gesellenverein. Hier verbrachten wir gemütlich den Pfingstsonntag, besichtigten morgens nach dem Gottesdienst die Stadt, welche umgeben von Bergen in einem Talkessel liegt. Nachmittags ruhen wir aus, und abends machten wir einen Spaziergang in den Park. Ein schöner Maienabend, wir gedachten unserer Erlebnisse in der Schweiz und Italien und dachten an die Lieben und Freunde zu Haus. Am Pfingstmontag verabschiedeten wir uns von den Tandemfahrern, die über Brixen fahren, und wir nahmen unsern Weg nach Meran, wo wir im Gesellenverein gut aufgehoben waren.

Der 2. Juni wird uns immer gedenken. Wir marschieren durch das schöne Passeiertal, an historischer Stelle, wo 1809 Andreas Hofer die Waffen ergriff. Um 1/2 12 Uhr kamen wir an die Wirtschaft Sandhof, wo Andreas Hofer geboren wurde und gelebt hatte, machten Halt und besuchten diese historische Stätte und auch die Hoferkapelle. Vor St. Leonhardt stärkten wir uns und ruhten etwas, da wir den Jaufenpaß besteigen mußten, eine schwierige Tour. Wir nahmen die Telegraphenstangen als Wegweiser und arbeiteten uns an den steilen Abhängen empor, und nach 4stündigem mühseligen Weg haben wir den Paß erreicht (2130 m). Der Schnee liegt hoch, wir machten Halt, um dieses einzigartige Naturbild, die Schneefelder, zu schauen. Die vielen schneebedeckten Berggipfel leuchteten in der Sonnenpracht, ein bezaubernder Anblick. Zum Erwärmen trinken wir im Gasthaus zum Jaufen einen Branntwein. Beim Abstieg ist es schon Abend, und dank des Vollmodes geht alles gut vonstatten. Um 11 Uhr nachts marschieren wir in das schöne Städtchen Sterzing, wo wir im Gesellenverein gutes Quartier erhalten, das auch notwendig war: die Tagesstrecke war heute 58 km. 

Am andern Tag schliefen wir etwas länger und marschierten erst um 9 Uhr ab, erreichten gegen Mittag das Dorf Brenner, wo wir uns aufhalten mußten wegen eines Gewitters. Nachmittags 5 Uhr überschritten wir zwischen Brenner und Gries die italienischösterreichische Grenze. In Gries übernachteten wir in einer Scheune. Morgens 7 Uhr Aufbruch. Es war infolge des Regens kühl. Gegen 5 Uhr abends kommen wir nach Innsbruck, besonders besichtigt [wurden] die Hofkirche, wo Andreas Hofer begraben liegt, das "goldene Dachl" usw. 5. 5. Um 10 Uhr Abmarsch den Inn entlang über Zirl über den Karwendelstein nach Seefeld, und abends 7 Uhr überschreiten wir bei Scharnitz die österr.- deutsche Grenze. In Mittenwald, das berühmt ist durch seinen Geigenbau, übernachten wir und erreichen am 6. 5. mittags Garmisch-Partenkirchen. Die Gegend ist großartig, viel Fremdenverkehr. Abends 7 Uhr kommen wir durch Ettal, Benediktiner- Abtei, wo wir das Klosterbier versuchten. Am selben Abend noch marschierten wir in das schöngelegene Oberammergau ein, wo wir den Sonntag zubringen wollen. Das hheilg. Fronleichnamsfest gedenken wir in München zu feiern, und wenn alles gut geht und auch das Wetter einigermaßen hält, dann werden wir, so Gott will, am 28. Juni in Speyer ein frohes Wiedersehen feiern.

Herzl. Grüße, Eure Freunde