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Die Pfälzer Hartard  | 1 | 2 

Ankunft - Herkunft
Linien in Freimersheim, Harthausen, Kirrweiler und Sondernheim

Der Speyerer Bürgermeister Bertram Hartard sen.
Barbara Hartard: Opfer der NS-Euthanasie
Der Komponist Franz Hartard aus Harthausen

 

Ankunft - Herkunft

Im Jahr 1712, so weiß die Dorfchronik zu berichten (vgl. Wittner, S. 20), sollen die Freiherren von Bassenheim, die seit 1654 auch Besitzer der hessischen Ortschaft Wernborn bei Usingen waren, die hessische Familie Hartard (mehr) im pfälzischen Freimersheim angesiedelt haben, um dem katholischen Glauben wieder Zugang im Ort zu verschaffen. Diese Geschichte ist weder ganz unwahrscheinlich noch ist sie wohl ganz richtig.

Tatsächlich war die Politik der großen Grundbesitzer sowie der verschiedenen pfälzischen Landesherren – Kurpfalz, Hochstift Speyer, die Grafen von Leiningen, von Löwenstein, von der Leyen, um nur einige zu nennen – in jenen Tagen darauf gerichtet, ihren jeweiligen Glauben innerhalb ihrer Territorien nach Kräften zu fördern. In Freimersheim standen das Hochstift Speyer, das nach dem Aussterben der Familie von Weingarten 1685 den Ort als Reichslehen erhalten hatte, und die katholischen Freiherren von Bassenheim, an die die weingartenschen Eigengüter übergegangen waren, vor einer besonders verwickelten Situation, die das ganze 18. Jahrhundert hindurch zu Reibereien zwischen den Glaubensgemeinschaften führte: seit die im 16. Jahrhundert protestantisch gewordenen Weingarten nämlich um das Jahr 1557 einen Pfarrer ihrer Konfession eingesetzt hatten, war die Freimersheimer Pfarrei lutherisch, obwohl das Speyerer Domkapitel nach wie vor das Patronatsrecht ausübte und somit bis zur Säkularisation für die Vergabe der evangelischen (!) Pfarrstelle zuständig war. Auch die Kirche des Dorfes, deren Baulast ebenfalls bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein das katholische Domkapitel trug, war seit 1601 lutherisch, jedoch war den Katholiken gestattet, Chor und Sakristei zu benutzen und mit den evangelischen Glocken zum katholischen Gottesdienst zu rufen; allerdings beschwerte sich der Freimersheimer Bürgermeister 1786, dass das Läuten nicht selten ausfalle, „weil der lutherische Schullehrer als Glöckner sich keineswegs zu diesem heiligen Werk und löblichen Gebrauch verstehen will“ (erst 1922 wurde das Simultangeläut abgeschafft). Obgleich die beiden letzten Angehörigen der Familie Weingarten, Johann Philipp (†1661) und Johann Christoph (†1685), wieder zum katholischen Glauben übergetreten waren, hatte die über hundertjährige protestantische Herrschaft doch dazu geführt, dass sich beim Aussterben des Geschlechts die Bewohner Freimersheims größtenteils zum Protestantismus bekannten. Es lag also im Interesse der neuen, katholischen Lehensträger und Gutsbesitzer, gezielt katholische Neubürger im Ort anzusiedeln. Im Zuge der Rekatholisierungs-Bemühungen der Freiherren von Bassenheim sollen so die Hartard nach Freimersheim gekommen sein.

Etwas nüchterner lässt sich der Zuzug der Familie Hartard aber auch durch die wirtschaftlichen Verhältnisse erklären. Der Taunus war bis ins 20. Jahrhundert hinein eine der ärmeren Gegenden Hessens, die Auswanderung auf der Suche nach einer besseren Zukunft daher keine Seltenheit. Umgekehrt hatten auch die Freiherren von Bassenheim ein Interesse an der Umsiedlung: denn an der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert war die Pfalz eine der Gegenden Deutschlands, die am schwersten von Unruhen und Kriegswirren heimgesucht waren. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war seit 1688 der Pfälzische Erbfolgekrieg über das Land hinweggefegt; französische Truppen verwüsteten die Pfalz, im nahen Speyer wurde 1689 der Kaiserdom eingeäschert und die Bürgerschaft vertrieben. Kaum hatte man, nach dem Frieden von Rijswijk, 1698 mit dem Wiederaufbau begonnen, brachte der Spanische Erbfolgekrieg 1703 mit der Schlacht am Speyerbach neues Leid für die Bevölkerung. Noch lange nach den Kriegshandlungen blieben die Folgen unübersehbar: durch Tod, Flucht und Vertreibung waren die Einwohnerzahlen zurückgegangen, Höfe standen leer, Felder lagen brach, Ernten fielen aus. Es ist also gut möglich, dass auch 1712 der kriegsbedingte Niedergang noch zu spüren war und die Freiherren von Bassenheim für die Neubesiedlung ihrer pfälzischen Besitzungen weniger konfessionelle denn ökonomische Gründe hatten. Dafür spricht im übrigen, dass im 18. Jahrhundert auch im benachbarten Kirrweiler, wo die Bassenheim ebenfalls Grundherren waren, Wernborner Familien auftauchen (Maibach, Bernard), obwohl dieser Ort als bischöflich speyerischer Besitz nie über Katholikenmangel zu klagen hatte.

Welches im einzelnen auch die Gründe für die Umsiedlung gewesen sein mögen: feststeht, dass die Hartard sich in ihrer neuen Heimat als ganz vorbildlich katholische Untertanen erwiesen. So pachtete die Familie ab 1716 das freiadelige bassenheimsche Hofgut und errichtete dort „trotz allen von denen Glaubenswidersagern dawider gemachten Bewegungen“ eine Kapelle, die bis zum Bau der neuen Kirche 1901 für den katholischen Gottesdienst genutzt und danach, bereits baufällig, an eine Molkerei vermietet und 1913 an Privatleute verkauft wurde. Als die protestantische Gemeinde Freimersheims im Mai 1759 an das Speyerer Domkapitel herantrat und um einen Kirchenneubau bat, war es der katholische Schulmeister Johannes Hartard, der den Speyerer Bischof in einem schriftlichen Antrag ersuchte, bei einem Neubau auch an die Katholiken des Ortes zu denken. Bis 1765 waren fünf Mitglieder der Familie als bischöfliche Schultheißen von Freimersheim im Amt, und bis ins 20. Jahrhundert gingen mehrere Priester aus der Familie hervor (zuletzt Ludwig Hartard, in den 1930er-Jahren Pfarrer im schwäbischen Hiltenfingen).

In der Pfalz verzweigte sich die Familie Hartard schnell in Linien in Freimersheim, Kirrweiler, Harthausen und Sondernheim; die Sondernheimer Linie kommt bis heute unter dem Namen Hardardt vor, ihr amerikanischer Zweig unter dem Namen Hardart (mehr).

Speyer um 1900, Blick in die Rheinebene | größere Ansicht

Linien in Freimersheim, Harthausen, Kirrweiler und Sondernheim

Die Erforschung der Pfälzer Hartard wird in den ersten Generationen leider dadurch erschwert, dass das erste, bis 1785 reichende Freimersheimer Kirchenbuch verschollen ist. Heinz R. Wittner hat jedoch auf Grundlage der katholischen Kirchenbücher umliegender Orte sowie der im Speyerer Landesarchiv verwahrten Freimersheimer Ausfauteiakten einen bedeutenden Teil der verlorengegangenen Personendaten rekonstruiert („Katholiken in Freimersheim im 18. und 19. Jahrhundert“). Die folgende Darstellung stützt sich ganz wesentlich auf diese Arbeit, die zwischen 1712 und ca. 1860 alle Freimersheimer Familienangehörigen erfasst.

Die pfälzische Stammreihe beginnt zu Anfang des 18. Jahrhunderts mit Nikolaus Hartard (ca. 1662-1727), Hofmann auf dem bassenheimschen Hofgut zu Freimersheim, das 1724 an das Domstift zu Speyer verkauft wird. Dass Nikolaus der Wernborner Familie Hartart angehört, steht aufgrund der Beziehungen der Freiherren von Bassenheim zu beiden Orten sowie der in beiden Linien vorkommenden Leitnamen (Johannes, Anton, Ludwig, Nikolaus) außer Frage. Johannes Anton Hartart (1692-1764 | mehr), mit dem in Wernborn die durchgehende Stammreihe einsetzt, könnte in Anbetracht der Geburtsdaten sogar ein in Hessen verbliebener Sohn des Nikolaus gewesen sein.

Nikolaus Hartard hatte mehrere Söhne, die sämtlich noch in Wernborn geboren sein müssen, die aber, sofern sie verehelicht waren, bereits in Freimersheim heirateten:

(A) Ludwig Hartard (†nach 1739) war hochfürstlich speyerischer Schultheiß zu Freimersheim, starb aber wohl, ohne Kinder zu hinterlassen;

(B) ein Sohn unbekannten Namens wurde Pfarrer zu Walldorf (geographisch nächstgelegen ist Walldorf in Baden, aber auch bei Frankfurt am Main gibt es einen Ort dieses Namens; in Waldorf bei Ahrweiler wiederum übten die Bassenheim das Patronatsrecht aus – welcher Ort hier gemeint ist, bleibt vorerst unklar).

Durch zwei weitere Söhne des Nikolaus und ihre Nachkommen teilte sich die Familie in zwei Äste: den Johannes-Ast (C) in Freimersheim, später in Harthausen, und den Georg-Ast (D) in Freimersheim, später auch in Kirrweiler und Sondernheim.

Erster Freimersheimer, dann Harthausener Ast

(C) Johannes I. Hartard (ca. 1662-1747) wurde 1716 als Hofmann eines dem Speyerer St.-Guido-Stift gehörenden Gutes bestätigt; seit 1714 war er außerdem Mitbesitzer des Hertel-Kern-Gutes, das er gemeinsam mit den Freimersheimer Mitbürgern Hans Jakob Salm, Niklas und Franz Peter Rummel sowie Wendel Andres für 2500 Gulden und 10 neue französische Louisdor von den Freiherrn von Dalberg erwarb. Die Kaufsumme, die in jährlichen Raten von 500 Gulden abbezahlt werden sollte, war aber auch im Jahr 1756 nicht entrichtet, und noch 1785 war eine Schuld von etwa 1500 Gulden offen, die in den folgenden Jahren teilweise abgetragen wurde. Johannes Hartard war 1734-1747 bischöflicher Schultheiß. Aus seiner Ehe mit Maria Anna Eva Gauckler gingen neben den Töchtern Maria Philippina (*ca. 1728), Maria Eva (*ca. 1732) und Eva Margaretha (*ca. 1734) drei Söhne hervor:

  1. Lothar Hartard (*ca. 1721);
  2. Franz Hartard (1718/24-1751), ebenfalls Schultheiß, verheiratet mit Magdalena Pflug, mit den Söhnen

      >1 Johannes (1745-1814), verh. mit Maria Barbara Schreyeck, acht Töchter, und
     
      >2 Georg Anton (*1748);
  3. Johannes II. Hartard, der die Familie weiter fortsetzte. Johannes II. (*ca. 1722, †1802?) war Schneidermeister und erscheint 1757 als Mitbesitzer der dem Deidesheimer Hospital gehörenden Güter. Seit 1747 versah er zusätzlich das Amt des Schuldieners; bis 1780 unterrichtete er die katholischen Kinder in Freimersheim. Die Ortschronik berichtet, dass er vom damaligen Speyerer Fürstbischof Franz Christoph von Hutten (1743-1770) eine zusätzliche Jahresbesoldung von 75 Gulden und vier Klaftern Holz zugewiesen bekam (das Grundgehalt bezogen sowohl der protestantische wie der katholische Lehrer aus der Gemeindekasse); dennoch scheint der Lehrerberuf in dieser Zeit nicht sonderlich einträglich gewesen zu sein, denn 1757 und 1779 klagte der Schulmeister Hartard beim Bischof über unzureichende Einkünfte und bat einmal um die pachtweise Überlassung von zehn Morgen Ackerland, das andere Mal um einen Zuschuss aus dem Armenstiftungsfond. 1762/63 bemühte er sich um eine Befreiung von der Gemeindeweideabgabe und klagte, sein „Lohn mache nur 34 Gulden jährlich aus, im Winter hätte er 7 bis 10 Schüler, im Sommer gar keinen, nebenbei müsse er deshalb noch als Schneider sein Auskommen finden“ (Franz Haffner: Geschichte der katholischen Gemeinde, in: Freimersheim im Wandel der Zeiten 771-1971, S. 67). Mit Katharina Klein hatte Johannes neben Kindern, die das Erwachsenenalter nicht erreichten (so Peter Heinrich, *1756), mindestens einen Sohn:

      >1 Franz Hartard sen., der 1781 als Schulmeister nach Harthausen ging und Großvater des Komponisten Franz Hartard jun. (1839-1922) war (s.u.). Zu den Nachkommen in Harthausen vgl. Birkle S.  226ff. (PDF).

      >2 Peter Anton Hartard (ca. 1767-1844, verh. mit Barbara Hartard[?], keine Nachkommen bekannt) gehört möglicherweise als weiterer Sohn des Johannes ebenfalls hierher. Der erste Freimersheimer Ast (Johannes I.) war somit in Freimersheim spätestens 1844 erloschen und in einem Seitenzweig nach Harthausen verpflanzt.

Zweiter Freimersheimer Ast mit Linien in Sondernheim und Kirrweiler

(D) Mit Johannes Georg Hartard I. (ca. 1703-1759), dem wohl jüngsten Sohn des Nikolaus, beginnt der zweite Freimersheimer Ast. Wie seine Brüder Ludwig und Johannes wurde auch Johannes Georg bischöflich speyerischer Schultheiß, nachdem er bereits als Gerichtsmann und hochfürstlicher Zoller tätig gewesen war. Aus seiner ersten Ehe mit Anna Barbara Schmid (die zweite Ehe mit Anna Margaretha Salm scheint kinderlos geblieben zu sein) gingen neben zahlreichen Töchtern folgende Söhne hervor:

  1. Antonius Hartard (ca. 1727/32), verh. mit Eva Elisabeth Leibig, mit – jeweils neben anderen Kindern – dem Sohn

      >1 Georg Anton (ca. 1773-1839, verh. mit Anna Margaretha Braun), dessen Sohn

      (a) Georg Simon (*1808), verh. mit Apollonia Seiler, und dessen Söhnen
      (I) Georg Anton (*1836),
      (II) Georg Michael (*1837) und
      (III) Johannes (*1842);
  2. Johann (Hans) Heinrich Hartard (ca. 1731-1765), von 1757 bis 1765 letzter speyerischer Schultheiß der Familie, verh. in erster Ehe mit Anna Agatha Körper, in zweiter Ehe mit Maria Elisabeth Seidel, mit Söhnen aus erster Ehe:

      >1 Peter Anton, verh. mit Christina Heusler, und

      >2 Johann Georg (*1757/59), dem Stammvater der Hardardt in Sondernheim und somit auch der amerikanischen Hardart (mehr).

  3. Johannes Georg Hartard II. (*ca. 1734), verh. mit Eva Elisabeth Ried, mit dem Sohn

      >1 Johannes Georg III. (*ca. 1766), verh. mit Anna Agatha Walther, und dessen Söhnen

      (a) Franz (1791-1814),

      (b) Joseph,

      (c) Johann Georg IV., verh. mit Florentine Hartard, und

      (d) Stephan (*1809), dem Stammvater der Hartard in Ohio (mehr). Die jeweils ältesten Söhne dieser Linie tragen bis heute stets den Namen Johann Georg.
  4. Joseph Hartard (*ca. 1741/42), der sich als Metzgermeister in Kirrweiler niederlässt und mit seiner Ehefrau Anna Katharina Eisenmann (Heirat 1764) die dort bis heute bestehende Linie begründet. Von seinen zahlreichen, zum Teil wohl schon früh verstorbenen Kindern seien genannt: Franz Xaver (*1765), Apollonia (*1767), Johannes Georg Joseph (*1772, †vor 1776), Georg Jakob (*1774, †vor 1783), Georg Franz (*1781), Georg Jakob (*1783). Das Erwachsenenalter erreichten mindestens drei Söhne: 

      >1 Andreas (*1768, 1820 Pate seines gleichnamigen Neffen);
     
      >2 Johannes Hartard (vielleicht Johannes Georg Joseph, *1776?), 1800 verh. mit Apollonia Kruppenbacher, von dessen mindestens elf Kindern nur zwei das Erwachsenenalter erreicht zu haben scheinen, nämlich

      (a) Johannes (*1810) und

      (b) Joseph (*1817); und 

      >3 Franz Joseph Hartard (1776-1825), 1797 in erster Ehe verh. mit Eva Barbara Dussel, 1816 in zweiter Ehe mit Eva Barbara Mühe; neben mindestens zehn totgeborenen oder gleich nach der Geburt verstorbenen Kindern hatte Franz Joseph aus erster Ehe den Sohn

      (a) Jakob Franz (*1801), 1826 verh. mit Regina Oberhofer, mit den Kindern
      (I) Barbara (*1825),
      (II) Philipp (*1826) und
      (III) Regina (*1828); aus zweiter Ehe die Söhne

      (b) Karl Ludwig (*1819) sowie

      (c) Andreas (1820-1877), 1845 verh. mit Anna Maria Kreiner, mit den Kindern
      (I) Franziska (*1846),
      (II) Johannes (1850-1927) und
      (III) Andreas (*1861), auf den die New Yorker Hartard zurückgehen (mehr).

Dem Schneider- und dem Lehrerberuf, dem schon in den 1740er-Jahren Johannes II. Hartard nachgegangen war, blieben die Pfälzer Hartard übrigens lange treu. Das Schneiderhandwerk erlernten Michael Hartard (*Freimersheim 1819, ein Enkel von Peter Anton Hartard und Christina Heusler, somit Urenkel des Schultheißen Hans Heinrich Hartard, s.o.), dessen Söhne Heinrich Hartard (1862-1925) und Georg Anton Hartard (1865-1924) sowie wiederum des letzteren Söhne: mein Großvater Jakob Robert Hartard (1903-1968 | mehr) und sein Bruder, der spätere Speyerer Bürgermeister Bertram Hartard sen. (1901-1967 | s.u.). Lehrer waren unter anderem des letzteren Sohn, der rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Bertram Hartard jun. (1929-1992), ferner der gebürtige Freimersheimer Franz Hartard sen. (1760-1827, s.o.), der 1781 als Volksschullehrer nach Harthausen zog und dort bis zu seinem Tod unterrichtete, sowie sein Enkel, der Komponist Franz Hartard jun. (1839-1922 | s.u.). Auch in Rheinsheim gab es einen Schullehrer Hardardt, der im Dezember 1810 starb.

Heinrich Hartard und Theresia Hartard (geb. Kästle)

Georg Anton Hartard und Katharina Hartard (geb. Kästle, Schwester Theresias)

Robert Hartard und Katharina gen. Ottilie Hartard (geb. Zimmermann)

Die Schwestern Robert und Bertram Hartards

Der Speyerer Bürgermeister Bertram Hartard sen.

Bertram Hartard wurde am 30. April 1901 als sechstes Kind des Schneidermeisters Georg Anton Hartard und der Katharina Hartard, geb. Kästle in Freimersheim bei Speyer geboren. Ein älterer Bruder, Alois, fiel im Ersten Weltkrieg. Weitere Geschwister waren Magdalena (1891-1973), Barbara (1895-1939/40), Theresia (1897-1965), Margaretha (1899-1976), Robert Jakob (1903-1968 | mehr) und Maria (1909-1936). Die Familie siedelte schon bald nach Speyer über, wo Bertram aufwuchs.

In München besuchte Bertram Hartard die Zuschneideakademie, in Speyer legte er die Gesellen- und Meisterprüfung für das Schneiderhandwerk ab. Bei der Neubildung des bayerischen Landtags 1933 war er Ersatzmann für die Bayerische Volkspartei (BVP), die bayerische Schwesterpartei des Zentrums; in Speyer gehörte er nach den Kommunalwahlen im April 1933 für kurze Zeit dem Stadtrat an. Im Sommer desselben Jahres wurde er, wie die gesamte BVP-Stadtratsfraktion, in Schutzhaft genommen; kurz darauf verließen die BVP-Räte unter dem Druck der Nationalsozialisten den Stadtrat.

Während des „Dritten Reichs“ und noch bis 1948 fungierte Bertram Hartard als Speyerer Domschweizer, danach war er Angestellter am Speyerer Arbeitsamt. Als Nebenergebnis der Jahre am Kaiserdom entstanden später zwei kleine Schriften: „Im Speyrer Dom. Gemälde, Figuren und Inschriften des Kaiserdoms zu Speyer“ (Speyer 1949) sowie „Mancherlei Besucher - mancherlei Begegnungen. Aus dem Tagebuch eines Domschweizers. 1933-1945“ (in: Pilgerkalender 32, 1953).

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Bertram Hartard wieder politisch aktiv. Der Idee einer überkonfessionellen konservativen Parteigründung stand er zunächst ablehnend gegenüber; unterstützt vom Speyerer Bischof Josef Wendel und dem späteren Kultusminister Eduard Orth setzte er sich vielmehr für eine Neubelebung des katholischen Zentrums ein. „Er und andere gleichgesinnte Kräfte wandten sich darum an den französischen Gouverneur mit der Bitte, eine evangelische Partei zuzulassen, um auf diese Weise die Protestanten ins politische Leben zu integrieren“ (Anne Martin: Die Gründung der rheinland-pfälzischen CDU, in: Wünschel). Nachdem sich diese Vorstellungen nicht durchsetzen ließen, war Bertram Hartard auf lokaler wie auf Landesebene beim Aufbau der dezidiert christlichen, aber gemischtkonfessionellen CDU tätig. Im Januar 1946 war er Mitglied des ersten Direktoriums der CDU Hessen-Pfalz (bis zum Zusammenschluss von CDU Hessen-Pfalz und CDU Rheinland-Hessen-Nassau zum CDU-Landesverband Rheinland-Pfalz im Februar 1947); auf der Gründungsversammlung der Speyerer CDU im März 1946 wurde er zum Vorsitzenden des Stadtverbandes gewählt.

Noch im selben Jahr fand die erste Nachkriegs-Kommunalwahl statt, bei der die Speyerer CDU 49 % der Stimmen errang; Bertram Hartard wurde erneut Stadtratsmitglied. Bei der Kommunalwahl 1948 war er Spitzenkandidat seiner Partei, die jedoch ihre Position als stärkste Fraktion verlor. Unter dem sozialdemokratischen Oberbürgermeister Dr. Paulus Skopp wurde er Erster Beigeordneter und Bürgermeister, ein Amt, das er bis 1952 innehatte.

1946/1947 war Bertram Hartard Mitglied der Beratenden Landesversammlung von Rheinland-Pfalz, die sich am 22. November 1946 im Koblenzer Stadttheater konstituierte. Am 25. April 1947 verabschiedete die Landesversammlung im Hotel Rittersturz bei Koblenz den Entwurf der Landesverfassung, der bei der Volksabstimmung am 18. Mai 1947 angenommen wurde. Die Landesversammlung schloss daraufhin ihre Beratungen ab und löste sich auf. Am gleichen Tag wurde der erste rheinland-pfälzische Landtag gewählt, dem Bertram Hartrad in seiner ersten Wahlperiode (1948-1951) als Abgeordneter angehörte.

Bertram Hartard verstarb am 7. November 1967 in Speyer. Mit seiner ersten Ehefrau Anna, geb. Mohr (1899-1944) hatte er sechs Kinder: Bertram (1929-1992, Regierungsschulrat an der Bezirksregierung Neustadt, zwischen 1970 und 1983 wie sein Vater Mitglied der Landtages von Rheinland-Pfalz), Elisabeth (*1931), Gertrud (*1932, als Schwester Clementa OCD Karmeliterin in Speyer), Adelheid (*1933), Marianne (*1939) und Clemens (*1942).

Barbara Hartard: Opfer der NS-Euthanasie

Bertram Hartards Schwester Barbara wurde am 28. Dezember 1895 in Freimersheim als drittes Kind von Georg Anton und Katharina Hartard geboren. Nach ihrer Schulentlassung fand Barbara Anstellung als Haushaltshilfe bei einer Speyerer Beamtenfamilie, der sie später nach München folgte, wo schon ihre beiden Brüder Robert und Bertram die „Zuschneide-Akademie“ besucht hatten. Ihre letzte Münchner Wohnadresse ist die Galeriestraße 36 (heute Unsöldstraße 13). Schon als Kind war Barbara kränklich. Eine Operation in München verschlimmerte offenbar ihren Zustand; Kopfschmerzen, eine sogenannte „Stinknase“ (Rhinitis atrophicans), dann auch Gedächtnislücken und Verhaltensauffälligkeiten waren die Folge. Als die Haushaltstätigkeit sie überfordert, bringt man sie in psychiatrische Behandlung. Am 22. September 1924, um sechs Uhr nachmittags, verzeichnet der Aufnahmebogen der Psychiatrischen Klinik in München, der heutigen Universitäts-Psychiatrie in der Nußbaumstraße 7: Hartard Babette, Dienstmädchen, ledig, katholisch, Befund: geisteskrank, „redet viel, ist mit Aufnahme nicht einverstanden.“ Am 16. Oktober 1924 wird Barbara in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing überwiesen, das spätere Bezirkskrankenhaus Haar. Sie wird fast sechzehn Jahre dort bleiben.

Die Krankenakte aus Eglfing hat sich erhalten (Bundesarchiv Berlin, Bestand R 179, Nr. 20592); sie wurde bis Juli 1940 kontinuierlich geführt. Barbaras Zustand ist wechselhaft. Manchmal ist sie laut, aggressiv. Dann folgen Phasen, in denen sie sogar in den Werkstätten der Anstalt arbeiten kann.

09.02.25 Wieder ganz ruhig, wurde in den letzten Tagen mit Näharbeit beschäftigt
23.02.25 Sitzt immer an einem bestimmten Platz, strickt fleißig.
11.06.29 […] heute zur neuen Kleidergruppe von H[aus] 18 mitgenommen, hilft dort ganz gut mit.
04.11.29 In der letzten Zeit bei der Kleidergruppe sehr brauchbar. Auch auf der Abteilung etwas lebhafter und zugänglicher.

Monatlich werden Gewicht und Tag des Regelbeginns in eine Tabelle eingetragen. Barbara ist 1,50 Meter groß und wiegt meist zwischen 48 und 52 kg. Körperlich geht es ihr gut, sie hat keine physischen Beschwerden. Seit 1936 nimmt sie allerdings zusehends ab, 1938 wiegt sie 44, 43, 42 kg. Danach brechen die Aufzeichnungen ab. In den 1930er-Jahren berichten die Einträge vermehrt von schweren seelischen Störungen. Immer wieder wird Barbara vom Haus 18 in die geschlossene Abteilung des Hauses 22 verlegt:

14.04.32 Läuft meist untätig auf der Abteilung herum, spricht dabei völlig zerfahren vor sich hin, schimpft, hört ständig Stimmen, greift jedem, dem sie beim Herumlaufen begegnet, an die Schulter oder packt sie am Arm. Völlig unbeeinflußbar, harsch abweisend, immer der gleiche gespannte Gesichtsausdruck.
17.11.32 Wieder zunehmend erregt, läuft heute laut schreiend und gestikulierend im Saal herum, muß verlegt werden nach Hs 22

Ab Ende der 20er-Jahre häufen sich die Bemerkungen zu Barbaras Arbeitsfähigkeit:

07.07.28 Zu keiner Beschäftigung zu bringen.
12.03.29 Zu keiner Beschäftigung zu bewegen.
Sept. 34 Zu keiner Beschäftigung geeignet.
März 35 Zu keiner Beschäftigung zu gebrauchen.
04.07.38 Zu keiner Beschäftigung zu bringen.

Im Februar 1938 hatte Hermann Pfannmüller die Leitung der Anstalt übernommen, ein fanatischer Nationalsozialist und Vertreter der nationalsozialistischen Rasse- und Gesundheitsideologie. Als kurz nach Kriegsbeginn die sog. Aktion T4 anläuft – die zentral gesteuerte „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ in den deutschen Pflegeanstalten –, ist Pfannmüller einer der Hauptbeteiligten. Für die „Hungerhäuser“ in Eglfing, in denen die Patienten durch gezielte Mangelernährung zugrundegingen, war er ebenso verantwortlich wie für die ab Oktober 1940 stattfindenden Morde an 332 Kindern, die durch Nahrungsentzug oder die Einspritzung von Luminal starben. Als einer der 40 „Gutachter“ der Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten, die unter Weisung des Reichsinnenministeriums die Vernichtungsaktion organisierte, sprach er in mehreren tausend Fällen Tötungsempfehlungen aus.

Ab Oktober 1939 lässt Pfannmüller die Patienten in Eglfing mittels Meldebögen erfassen. Ein wesentlicher Begutachtungsgesichtspunkt ist die Arbeitsfähigkeit der Kranken; ermordet werden sollen nicht nur die „geistig Toten“, sondern möglichst alle, die zu produktiver Arbeit unfähig sind. Die Meldebögen aus Eglfing sind nicht erhalten. Eine deutliche Sprache spricht aber Barbaras Krankenakte: Alle Passagen, die Arbeitswillen und -leistung betreffen, sind – vermutlich bei einer nachträglichen Durchsicht der Akte – durch Unterstreichungen hervorgehoben. Abschließend heißt es:

05.10.39 Hat seit 15 Jahren so gut wie gar nichts gearbeitet, war vorübergehend 1924, 25, 26 mit etwas Näharbeiten beschäftigt, 1929 bei der Kleidergruppe, 1930 u. 34 in der Großwäscherei.

1119 Menschen markiert Pfannmüller als „lebensunwert“. Barbara ist unter ihnen. Der letzte Eintrag ihrer Krankenakte lautet:

08.06.40 Schwerer Defekt. Katatone Erregungen mit Gewalttätigkeiten. Zerfahren, autistisch, stumpf.

Darunter steht maschinenschriftlich:

Gemäß Anordnung des Reichskommissars für die Reichsverteidigung im Rahmen planmässiger Räumungsmassnahmen am 3. Sept. 1940 in die Anstalt Niedernhart überführt.

Gemeint ist die österreichische Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart bei Linz, die heutige Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg. Sie fungierte im Rahmen der nationalsozialistischen Euthanasie-Aktion als Zwischenlager für die Vernichtungsanstalt auf Schloss Hartheim, deren begrenzte Aufnahmekapazität es erforderlich machte, die dort eingelieferten Menschen sofort zu töten und ihre Leichen umgehend zu beseitigen. Beide Einrichtungen standen unter der Leitung des Arztes Rudolf Lonauer. In Niedernhart tötete Lonauer mittels Giftinjektion in die Vene, Gift in Tabletten- oder flüssiger Form und ab Winter 1941 durch Luminaleinspritzungen. In Hartheim standen eine Gaskammer sowie ein Krematorium zur Verfügung, das die Firma KORI eingerichtet hatte (die auch die Öfen in Bergen-Belsen und Majdanek baute und nach dem Krieg in Berlin „Zentralheizungs- und Lüftungsanlagen, Verbrennungsöfen für Abfälle aller Art [und] Müllschluckanlagen“ produzierte).

Die für den Weitertransport nach Hartheim vorgesehenen Opfer blieben meist nur kurz in Niedernhart. Sie wurden bei ihrer Einlieferung mit Tintenblei numeriert und wenige Tage später in Bussen nach Hartheim gefahren. Lonauers Stellvertreter dort war Georg Renno, der gemeinsam mit Büroleiter Christian Wirth die Abfertigung der eintreffenden Todestransporte übernahm. Zu den Aufgaben Rennos gehörte die Leitung und Beaufsichtigung des gesamten Tötungsvorgangs: Entkleidung der Opfer, Begutachtung, Auswahl medizinisch „interessanter“ Fälle, denen man nach ihrer Ermordung die Gehirne für Forschungszwecke entnahm, die Einweisung in die als Brausebad getarnte Gaskammer, das Schließen der Tür, das Einleiten des Kohlenmonoxydes, das von der I.G. Farben Ludwigshafen (BASF) geliefert wurde. Mitunter war es Renno selbst, der die Gaszufuhr in die Tötungskammer eigenhändig regelte, so bei Demonstrationsvergasungen, an denen unter anderem Reichsinnenminister Frick und Reichsärzteführer Conti teilnahmen. Bis zur Einstellung des Euthanasieprogramms im August 1941 wurden in Hartheim mehr als 18.000 Menschen ermordet. Reichsweit beträgt die Gesamtopferzahl der Aktion T4 ausweislich der nach dem Krieg aufgefundenen „Hartheimer Statistik“ 70.273 Menschen. Die durch die Tötungen in zehn Jahren erzielte Einsparung an Pflege- und Lebenshaltungskosten wird in diesem Dokument auf 885 Millionen RM beziffert.

Im Spätsommer 1940 erhalten Barbaras Angehörige die briefliche Nachricht, dass ihre Tochter und Schwester am 18. September in einer Pflegeanstalt einer Lungenentzündung erlegen sei. Es sind 30 Reichsmark für die Zusendung der Urne zu entrichten. Die Urne Barbara Hartards, die sehr wahrscheinlich nicht ihre, sondern die wahllos zusammengekehrten sterblichen Überreste anderer Euthanasieopfer enthält, wird auf dem Speyerer Friedhof beigesetzt und 1954 in das Grab des Vaters umgebettet.

Rudolf Lonauer entzieht sich 1945 einer Bestrafung durch Selbstmord; eine Stunde vor Eintreffen der US-Armee tötet er zuerst seine Frau, danach seine zwei Töchter und schließlich sich selbst. Georg Renno taucht unter und wird erst 1961 verhaftet. 1975 wird das Verfahren wegen einer Herzerkrankung Rennos eingestellt. Renno verbringt seinen Lebensabend in Bockenheim in der Pfalz. In einem Interview aus seinem letzten Lebensjahr sagt er: „Ich selbst habe ein ruhiges Gewissen. Ich fühle mich nicht schuldig […]. Nachdem ich ja gesehen habe, wie die Leute gestorben sind, muß ich mir sagen, das war keine Qual für die, ich möchte eher sagen, in Anführungszeichen: Es war eine Erlösung. […] Mit diesem Gefühl gehe ich einmal von hier fort. Ich gehe wieder zurück in die Ewigkeit, wo ich hergekommen bin. Alles andere ist nicht gewesen.“ Renno stirbt am 4. Oktober 1997 in Neustadt a. d. Weinstraße, nicht weit von Barbaras Geburtsort.

Informationen zur Tötungsanstalt Schloss Hartheim:
Gedenkstätte Schloss Hartheim
Brigitte Kepplinger: Die Tötungsanstalt Hartheim 1940 – 1945, o.J. (PDF)


Die Öfen brennen: Rauch aus dem Krematorium der Tötungsanstalt Schloss Hartheim (Photographie: Karl Schumann)

Der Komponist Franz Hartard aus Harthausen

Der Großvater des Komponisten, Franz Hartard sen. (1760-1827), Sohn des Freimersheimer Schneiders und Schulmeisters Johannes II. Hartard (*ca. 1722, †1802? | s.o.) und der Katharina Klein, kam 1781 als Lehrer von Freimersheim nach Harthausen. Aus seiner Ehe mit Eva Franziska Ried (eine zweite Ehe mit Katharina Jäger blieb kinderlos) stammten neben einigen frühverstorbenen Kindern Franz Anton (1784-1848), Maria Catharina (1787-1860) und Johann Georg (1797-1869); aus des letzteren Ehe mit Anna Christine Rohrbacher ging der Sohn Franz jun. hervor. Karl Huther schreibt über ihn in der Rheinpfalz vom 7. Juli 1972:

„Am Rhein, da stand mein Vaterhaus“.
Aus dem Leben des pfälzischen Lehrerkomponisten Franz Hartard.

Der 14. April 1922, ein Karfreitag, war für das Dorf der „Königskinder“, Harthausen bei Speyer, in doppeltem Sinne ein Tag ernster Besinnung. Im Hauptgottesdienst am Morgen gedachte die zahlreich versammelte Gemeinde des Leidens und Sterbens Christi; am Nachmittag aber galt es dem ehrengeachteten ehemaligen Volksschullehrer, Komponisten, Dirigenten und Organisten Franz Hartard die letzte Ehre zu erweisen. Im Alter von 82 Jahren war er in den Abendstunden des 11. April 1922 nach etwa einjährigem Krankenlager in den Frieden seines Gottes eingegangen.

Mit nicht geringem Erstaunen erlebten an diesem denkwürdigen Karfreitag die Bürger von Harthausen die eindrucksvolle Ehrung eines ihrer Mitbürger, der seither als einer der ihrigen schlicht und bieder unter ihnen lebte. Man wusste, daß er in jungen Jahren ein tüchtiger Musiker war, auch in etwa von seiner Tätigkeit als Komponist. Daß das alles aber für die Umwelt von besonderer Bedeutung sei, das ahnte man nur so von ungefähr. Ihre Sorge galt vor allem dem Feldbau, denn die Harthäuser „Königskinder“ waren seit eh und je ein ungemein fleißiges, rechtschaffenes Völkchen. - An einem Karfreitag aber wurden sie Zeuge, wie Scharen von schwarz gekleideten, ernst gestimmten Menschen eintrafen und sich hin zum Sterbehaus des Komponisten Franz Hartard (in der Harthausener Jakobsgasse) begaben. Als der Ortspfarrer Andreas Dauscher um 15 Uhr zur Einsegnung der Leiche erschien, hatten sich, außer einer unzählbaren Menge Einheimischer, 11 Gesangsvereine aus der Umgebung eingefunden. Es war ein ergreifender Augenblick, als der Geistliche vor dem von etwa einem Dutzend Fahnen flankierten Sarg das sakral-ernste „De profundis“ anstimmte.

An seinem Grabe ehrten den Toten Ansprachen des Ortspfarrers für die kirchliche und politische Gemeinde Harthausen, des Bundeschormeisters Wilhelm Daniel für den Pfälzer Sängerbund, des Rentamtmannes Langenstein für das Kirchenmusikdekanat und des Innungsmeisters Karl Petermann für die Speyerer Innungschöre. Die Presse ließ ihm durch ihren Publizisten Lorenz Stamer einen Nachruf widmen, von dem eine Strophe lautete:

„Das Aug erlosch, das Leben ist entwichen,
Des Sängers Mund verstummt auf immerdar,
Doch immer bleibt, wenn auch die Form verblichen
Der Geist, der seine Lieder uns gebar.“

Die ergreifende Trauerfeier war musikalisch eingeleitet worden durch das Hartardsche Grablied „Ruhe sanft im kühlen Schoß der Erde“, vorgetragen von den vereinten Chören des Männergesangsvereins und des Kirchenchors Harthausen und klang aus mit dem uralten Bardengesang „Stumm schläft der Sänger“, weihevoll geboten vom „Liederkranz“ Mundenheim.

Herkommen und Umwelt Franz Hartards

Franz Hartard stammte aus einer alten Lehrerfamilie. Sein Großvater, der Lehrer Franz Hartard, kam im August 1891 als Volksschullehrer von Freimersheim nach Harthausen. Es lag in jener Zeit viel Musik in der Luft. Daß dieser Franz Hartard, senior, ein brauchbarer Musiker gewesen sein muß, möge aus der Tatsache erhellen, daß ihn die schon immer sangesfreudigen und musikbegeisterten Harthäuser 46 Jahre lang als ihren Lehrer behielten, denn damals bestimmten noch die Bürger, wer Lehrer im Dorfe sein durfte. Er starb im Jahre 1827. Sein Sohn Georg (1797-1869) widmete sich der Landwirtschaft. Aus dessen (1817 geschlossener) Ehe (mit Christina Rohrbacher) ging als jüngster Sproß unter fünf Kindern (neben den Schwestern Elisabeth, Katharina, Margaretha und Josefa) Franz Hartard, der Komponist, hervor, geboren am 15. September 1839. In diesem kinderreichen, bäuerlichen Milieu wuchs der kleine Franz heran, bis ihn im Jahre 1846 seine Mutter der pädagogischen Obsorge des damaligen Harthausener Lehrers Anton Wolfer übergab. 13jährig wechselte er im Jahre 1852 in die Sonntagschule über. Schon bald danach trugen sich die Eltern mit dem Gedanken, ihren einzigen männlichen Sprößling Lehrer werden zu lassen. Mit 17 Jahren, also im Jahre 1856, trat er ins Speyerer Lehrerseminar ein.

Schüler von Domkapellmeister Benz

Das Regulativ für die Lehrerbildung in Bayern sah jenesmal eine dreijährige Seminarausbildung vor. Musik war in der alten Lehrerbildung ein sehr gewichtiges Fach. Das wußten auch die Eltern von Franz Hartard. Es ist daher mit Sicherheit anzunehmen, daß sie es während der vier Sonntagschuljahre ihres Sohnes an vorbereitendem Musikunterricht nicht haben fehlen lassen. Jedenfalls ist zuverlässig überliefert, daß Franz Hartard schon in jungen Jahren „ein hervorragender Geiger“ gewesen sei. Im Jahre 1856 kam er in die strenge Schule des Seminar-Musiklehrers, Komponisten und späteren Domkapellmeisters (1871) Johann Baptist Benz. Bei ihm lernte er das Klavier- und Orgelspiel, Violine und freiwillig andere Streichinstrumente, aber auch – und das war damals vorgeschrieben – ein oder zwei Blasinstrumente. Musiktheoretisch führte ihn Meister Benz in die Intervall- und Akkordlehre, in den Aufbau von Modulationen, Kanons und Fugen ein, nicht minder gründlich aber auch in die Kunst, einen einwandfreien Tonsatz für Kinder-, Männer- und gemischten Chor schreiben zu können.

Pädagogisch und musikalisch nach damaligen Maßstäben bestens gerüstet, trat Franz Hartard 1859 ins Berufsleben. Er wurde Volksschullehrer in Lingenfeld, denn in seinem Heimatort Harthausen war zu jener Zeit ein Unterkommen für ihn als Lehrer nicht möglich. Hier bestanden nur zwei Lehrer- und eine Schulgehilfenstelle, die um das Jahr 1859 langfristig besetzt waren (…). Nun waren die Lehrer der damaligen Zeit nicht gerade auf Rosen gebettet. Mit einem Einkommen von 200 Gulden im Jahr mußten sie noch einen Nebenverdienst haben, um existieren zu können. Der 65jährige Vater konnte den eigenen Feldbau nicht mehr allein bewirtschaften. Franz Hartard mußte also, wenn er sein Erbe erhalten wollte, den Schuldienst (quittieren) und ins Elternhaus zurückkehren. Das geschah im Jahre 1862. Fortan bestellte er seine Felder, gründete zwei Musikkapellen und trieb Bienenzucht. Über den Daumen gepeilt verdiente er sich auf diese Weise jährlich etwa 350 bis 400 Gulden, immerhin fast das Doppelte als sein Lehrereinkommen.

Die beiden Musikkapellen waren ein Streichorchester von etwa 10 Mann für Saalmusiken, Bälle und Hochzeiten sowie eine Blaskapelle von acht Mann für Prozessionen, Festzüge und Feiern im Freien. Die meisten Piecen hat Hartard für seine Musikabteilungen selbst bearbeitet und eigenes in großer Zahl dazu komponiert. Die Hartardschen Musikkapellen waren wegen ihrer gediegenen Produktion sehr beliebt und manchmal mehr als sie zu leisten vermochten mit Aufträgen eingedeckt. (Als Dirigent leitete Franz Hartard verschiedene kirchliche und weltliche Gesangsvereine, darunter den Kirchenchor St. Cäcilia Harthausen und den Männergesangsverein Cäcilia Dudenhofen.)

Franz Hartards Familienleben

Die Musik und seine Orchester beschäftigten den jungen Franz Hartard so ausgiebig, daß er darüber ganz das Heiraten vergaß, zumal er noch etwa zehn Jahre lang haushälterisch gut versorgt war. Der Vater starb 1869. Seine Schwestern verheirateten sich nacheinander. Als man 1872 schrieb, war das Elternhaus nur noch von der 75jährigen Mutter und ihrem 35jährigen Sohn bewohnt. Es war höchste Zeit, daß eine junge Frau ins Haus kam. Sie fand sich in der 15 Jahre jüngeren Katharina Hoffmann, mit der er am 5. 11. 1874 getraut wurde. Die Ehe war mit zwei Kindern gesegnet (vier Kinder starben jung), der Tochter Anna (*1878) und dem Sohn Josef (*1875), der sich später als Ensemble- und Militärmusiker eines guten Rufes erfreute. Aus des letzteren im Jahre 1900 mit Anna Schütt geschlossenen Ehe entsprossen dem Komponisten vier Enkel, darunter auch der Enkel Otto Hartard, der mehrere Streich- und Blasinstrumente perfekt beherrschte, (sowie dessen Geschwister Hermann, Emilie und Anna). Leider verstarb ihm sein Frau schon nach 12 Jahren (am 13. August 1886, im Kindbett) und hinterließ ihm zwei kleine Kinder und die 89jährige Mutter. Es ist verständlich, daß Franz Hartard bald danach (6. Oktober 1886) wieder heiratete. Diese zweite Frau, eine geborene Magdalene Hoffmann, starb schon zwei Jahre später (2. April 1888) kinderlos (ebenfalls im Kindbett). Seine wirtschaftlichen Verhältnisse zwangen ihn, sich noch im gleichen Jahre (14. August 1888) mit Christina Diebold, der Tochter des Harthausener Landwirtes Johann Michael Diebold, zu verehelichen. Aus dieser Ehe gingen der Sohn Georg (1890-1915) und die Tochter Emilie (1950) hervor. Dieser Sohn Georg aus dritter Ehe war der ganze Stolz des alternden Franz Hartard. Er sollte das musikalische Erbe des Vaters weiterführen, denn er war nicht nur ein begabter Geiger, sondern auch ein ganz hervorragender Trompeter. Er hätte sicher als Konzertmeister in jedem großen Sinfonieorchester sein Unterkommen gefunden, wenn nicht im Jahre 1915 der Tod auf dem Schlachtfeld dem Leben dieses erst 25jährigen hoffnungsvollen Musikers ein Ende gesetzt hätte (er wurde am 31. August 1915 bei Ypern verschüttet); ein harter Schicksalsschlag für den damals 76jährigen Komponistenvater.

Die Familie Hartard war damit fünf Generationen lang – von 1800 bis 1940 – in der Gegend von Speyer musikalisch aktiv, und zwar durch den Lehrer Franz Hartard, senior (1. und 2. Generation), durch dessen Enkel, den Komponisten Franz Hartard, junior (3. Generation), seine beiden Söhne Josef und Georg (4. Generation) und durch des ersteren Sohn, des Komponisten Enkel Otto in der 5. Generation.

Das kompositorische Schaffen

Franz Hartard hat in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts viel Instrumentalmusik arrangiert und auch komponiert. Seine Bescheidenheit und Zaghaftigkeit hemmten ihn jedoch, einen Vorstoß in die Öffentlichkeit zu wagen. Er war schon 62 Jahre alt, als er, im Jahre 1901, sein erstes Werk einem Verlage anbot. Es trug den Aufdruck: „Den Landesgesangvereinen gewidmet. Dem deutschen Bauern (Gedicht von Schulte vom Brühl); Männerchor mit Begleitung von Blasmusik, kleinem Streichorchester und Pianoforte von Franz Hartard“. [Nicht schwierig zu singen, mit kernigem Text versehen, entsprach dieses Werk genau dem Bedürfnis ländlicher Sängerfeste.]

Das Werk war im Nu vergriffen, und der Name Franz Hartard weithin bekannt geworden. Dieser Erfolg ermutigte ihn, ein Jahr danach (1902) dem verlag Anton Böhm & Sohn, Augsburg, sein geistliches Chorwerk, die „Missa SOLI DEO GLORIA“ und die Motette „Pange lingua“ anzubieten, der sie sofort zur Drucklegung annahm. (…) [Die Messe fand im ganzen Reich Verbreitung und mußte 1916 erneut aufgelegt werden.] Es folgten im Jahre 1903 seine „Hymne zum 25jährigen Papstjubiläum Leos XIII.“ und 1905 der Männerchor „Auf blühender Heide“ (Opus 50); 1906 „Im Wald möcht ich ein Vöglein sein“, „Leben im Wald“ und das groß angelegte, harmoniefarbige Chorwerk „Seemanns Heimkehr“, 1907 das lyrisch feinabgestimmte Lied „Märchen“ und 1908 mit Orchesterbegleitung „Die Hymne an das Haus Wittelsbach“. [Ab 1910 wurden dank der Förderung durch Bundeschormeister Daniel (und) den Vorsitzenden des Speyergau-Sängerbundes, Jakob Schultz alle Werke des Harthauseners im Verlag Karl Hochstein gedruckt.] Bis zum Jahre 1911 kamen sechs Preischöre von Hartard in Druck, darunter die vielgesungenen Männerchöre „Als ich Abschied nahm“, „Choral der Nacht“, „Waldabend“, [„Froschkönigs Hochzeit“] und „In der Frühlingsnacht“. Außerordentlich zahlreich sind seine Männerchorbearbeitungen von Volksliedern in den Liedersammlungen des Sängerbundes. (…) Hartard dürfte neben viel konzertanter Gebrauchsmusik und Chorbearbeitungen etwa 90 originale Chorwerke geschrieben haben. (…)

Eine Freudenbotschaft hat ihn leider nicht mehr lebend erreicht. Vier Monate nach seinem Tode traf aus Amerika die Nachricht ein, daß beim Jahreshauptkonzert der deutschen Sängerbünde 1922 in Philadelphia, bei dem auch Chöre mit ausschließlich pfälzischen Einwanderer-Sängern aus Pennsylvanien mitwirkten, die Darbietung der Hartardschen Männerchöre „Am Rhein, da stand mein Vaterhaus“ und „o Vaterland, o schönes Land“ unbeschreiblichen Jubel ausgelöst hätten.

Punkte und Anmerkungen in runden Klammern bezeichnen Auslassungen und Umstellungen bzw. eigene Ergänzungen, die Einschübe in eckigen Klammern stammen aus: Röbel. 

Karl Huther, der eine umfangreiche Sammlung an Informationen über und Musikstücken von Franz Hartard anlegte, war 1945-1969 Direktor der Pfälzischen Gehörlosenschule Frankenthal (heute Pfalzinstitut für Hörsprachbehinderte / Augustin-Violet-Schule).

Zu Fuß von Speyer nach Rom

Bericht über eine Pilgerfahrt, die den jungen Robert Hartard im Heiligen Jahr 1925 in die Ewige Stadt führte | mehr


Der Artikel zur Familiengeschichte als PDF-Dokument:

Stammliste der Familie Hartard in Freimersheim (1712-ca. 1870). Aus: Heinz R. Wittner: Katholiken in Freimersheim im 18. und 19. Jahrhundert, Typoskript, Diözesanarchiv Speyer 

Nachkommen des Franz Hartard sen. (*Freimersheim 1760) in Harthausen. Aus: Wilfried Birkle: Bürger und Fremde in Harthausen. Von 1530 bis 1920. Ein Familienbuch, Harthausen 2007, S. 266ff. 

Literatur: 

75 Jahre Männergesangverein Harthausen. Harthausen 1986
Wilfried Birkle: Bürger und Fremde in Harthausen. Von 1530 bis 1920. Ein Familienbuch. Harthausen 2007
Wilfried Birkle/Hermann Grundhöfer: Franz Hartard - Komponist und Dirigent. In: Rhein-Pfalz-Kreis Heimatjahrbuch 20, 2003, S. 28-31
Viktor Carl: Lexikon Pfälzer Persönlichkeiten. Edenkoben 1998
Freimersheim im Wandel der Zeiten 771-1971. Ein Heimatbuch zur 1200-Jahr-Feier im Juli 1971. Freimersheim 1971
Heinz Friedel: Kirrweiler. Die Geschichte eines pfälzischen Weindorfes. Kirrweiler 1978
Bertram Hartard: Im Speyrer Dom. Gemälde, Figuren und Inschriften des Kaiserdoms zu Speyer. Speyer 1949
Bertram Hartard: Mancherlei Besucher - mancherlei Begegnungen. Aus dem Tagebuch eines Domschweizers. 1933-1945. In: Pilgerkalender 32, 1953 (1952), S. 36-38
Karl Huther: „Am Rhein, da stand mein Vaterhaus“. Aus dem Leben des pfälzischen Lehrerkomponisten Franz Hartard. In: Die Rheinpfalz, 7. Juli 1972
Brigitte Kepplinger: Die Tötungsanstalt Hartheim 1940 – 1945, o.J.
Joachim Lilla
: Der Bayerische Landtag 1918/19-1933. Wahlvorschläge, Zusammensetzung, Biographien (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte 31). München 2008.
Gerhard Nestler / Hannes Ziegler (Hg.): Die Pfalz in der Nachkriegszeit. Wiederaufbau und demokratischer Neubeginn (1945–1954). Kaiserslautern 2004 
Martina Röbel: Ein Jahrhundert alt und noch jung - Werke Franz Hartards unvergessen. Zum 55. Todesjahr des Musikkönigs der
Königskinder. In: Die Rheinpfalz, Speyerer Rundschau, 4. März 1977 
Markus Schäfer: Datenhandbuch zur Geschichte des Landtags Rheinland-Pfalz 1947–2003. Mainz 2005
Hansmartin Schwarzmaier (Hg.): Landesgeschichte und Zeitgeschichte. Kriegsende 1945 und demokratischer Neubeginn am Oberrhein. Oberrheinische Studien, Band 5. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein e. V. Karlsruhe 1980
Umbruch. Schriftenreihe des Landtags Rheinland-Pfalz, Heft 33: 60 Jahre Parlament in Rheinland-Pfalz. Mainz 2006
Kurt Weitzel: Von der Csvp zur CDU: Die Gründung der CDU in Rheinhessen 1945-1947. Frankfurt am Main 1982
Heinz R. Wittner: Katholiken in Freimersheim im 18. und 19. Jahrhundert. Typoskript, Diözesanarchiv Speyer
Hans-Jürgen Wünschel (Hg.): Rheinland-Pfalz. Beiträge zur Geschichte eines neuen Landes. Landauer Universitätsschriften – Geschichte, Band 4. Landau 1997, darin v.a.: Anne Martin: Die Gründung der rheinland-pfälzischen CDU